Informationen und Erklärungen zur Patentfamilie
Wird eine Erfindung gemacht, die zum Patent angemeldet werden soll, so wird das unter Umständen in mehreren Staaten nachfolgend
auch geschehen, je nachdem in welchen Ländern man Marktchancen für ein Produkt erwartet, das komplett oder teilweise mit vom Patent geschützten
Ausstattungsmerkmalen vertrieben werden soll. Da das Patentrecht ein territoriales Recht ist, ist es notwendig, ein Patent in jedem Land anzumelden, in dem das
Produkt später geschützt sein soll. Also hängen diese Patentdokumente irgendwie miteinander zusammen, da sie ganz oder teilweise auf dieselbe
Erfindung zurückgehen. Das gilt auch, wenn aus der Patentanmeldung heraus noch ein weniger streng zu prüfendes Gebrauchsmuster angemeldet wird. Eine der Erklärungen, die
das Europäische Amt auf seiner Website aufführt:
"Eine Patentfamilie ist eine Gruppe von Patentanmeldungen, die denselben oder ähnlichen technischen Inhalt betreffen."
Prioritäten
Dabei sind die Dokumente zwingend über Ihre Prioritäten miteinander verbunden. Das ergibt sich wie folgt: Zunächst wird
in einem Land eine Patentanmeldung durchgeführt. Das ist die sogenannte Erstanmeldung (Prioritätsanmeldung). Erfolgen weitere Anmeldungen in
anderen Ländern unter Bezugnahme auf die sogenannte Erstanmeldung, so spricht man von Nachanmeldungen. Dabei beanspruchen diese Nachanmeldungen
förmlich den gleichen Zeitrang wie die Erstanmeldung, der sogenannten Prioritätsanmeldung. Das geht nur, wenn die nachgemeldeten Anmeldungen
inhaltlich gleich oder sehr ähnlich zur Erstanmeldung sind.
Warum wird so vorgegangen? Wenn man ein Patent erhalten möchte (nicht nur anmelden, sondern ein tatsächlich erteiltes Schutzrecht und nur dieses
entwickelt eine Schutzwirkung), so wird das Amt prüfen, ob es nicht bereits Stand der Technik gibt (sozusagen veröffentlichtes Wissen vor der
Anmeldung gab), das der Erteilung widerspricht, weil dadurch anzunehmen wäre, dass der Erfinder von dem bereits existierenden Wissen abschauen konnte
und damit überhaupt nichts Neues erfunden hat. Dabei wird Information berücksichtigt, die bis zum Anmeldetag dieser Erstanmeldung vorlag. Eine
Nachanmeldung, welche diese Prioritätsanmeldung in Anspruch nimmt, bezieht sich also auf diesen Anmeldetag der Erstanmeldung. Auch gegen diese
Nachanmeldung kann somit nur Stand der Technik ins Feld geführt werden, die bis zur Anmeldung des Prioritätsdokuments vorlegen hat. Nach
Verstreichen der Prioritätsfirst kann eine Anmeldung nicht mehr diesen Zeitrang in Anspruch nehmen. Im Gegenteil, die Erstanmeldung würde sogar
Stand der Technik darstellen, den man diesem nachanzumeldenden Dokument als neuheitsschädlich entgegenhalten könnte.
Strikte und erweiterte Patentfamilie
Aus den Informationen ergibt sich, dass die Patentfamilie sich immer auf Dokumente bezieht, die sich auf das gleiche
Prioritätsdokument also die Erstanmeldung beziehen. Daraus bildet sich die sogenannte strikte Patentfamilie.
Nun gibt es aber Dokumente, die neben dem technischen Inhalt der Erstanmeldung weitere Technologie schützen möchten. Das kann sogar in ein
und demselben Staat geschehen. Bezieht sich also eine Nachanmeldung auf zwei Prioritätsdokumente oder ist die Nachanmeldung selbst wieder
Prioritätsdokument, so entsteht daraus eine erweiterte Patentfamilie, deren technischer Inhalt zwar nicht mehr identisch aber zumindest sehr
ähnlich ist. Es bilden dann mehrere Prioritäten eine sogenannte erweiterte Patentfamilie.
In XPAT arbeiten wir mit der erweiterten Patentfamilie. Oft wird der Begriff „Patentfamilienmitglied“ als etwas Synonymes zum Ursprungsdokument
verwendet. Doch Achtung, maßgeblich sind immer die zu schützenden oder tatsächlich geschützten Ansprüche der Dokumente. Diese
können durchaus innerhalb der gleichen Familie unterschiedlich sein.
Der in XPAT verwendete Begriff Patentlinie
In XPAT verwenden wir auch den Begriff der Patentlinie, die in der Familienübersicht durch Farbwechsel gekennzeichnet werden. Nimmt man als Beispiel das Dokument bzw. die Patentfamilie zu DE4342171:
Die Patentfamilie sieht wie folgt aus:
- EP0660660 (A1)
- EP0660660 (B1)
- EP0660660 (B2)
- AT157840 (T)
- AU7493894 (A)
- DE4342171 (A1)
- DE4342171 (C2)
- DK0660660 (T3)
- DK0660660 (T4)
- US5754137 (A)
- WO9502318 (A2)
- WO9502318 (A3)
- EP0660660 (A1), EP0660660 (B1), EP0660660 (B2)
- DE4342171 (A1), DE4342171 (C2)
- WO9502318 (A2), WO9502318 (A3)
- DK0660660 (T3), DK0660660 (T4)
- Die anderen Dokumente, die jeweils nur einmal vertreten sind, stellen zwar auch Patentlinien dar, haben aber nur ein Dokument.
- US5754137 (A)
- AT157840 (T)
- AU7493894 (A)
Achtung: verschiedene Datenbanken können unterschiedliche Definitionen einer Patentfamilie verwenden. Der Begriff „Patentfamilie“ hat keinerlei rechtliche oder rechtlich bindende Aussagekraft. Ebenso ist es möglich, dass es mehr als eine Patentlinie in einer erweiterten Patentfamilie aus einem Staat gibt.
Patentfamilienorientierte Datenbanken bergen Risiken, die man kennen sollte
Die oft zu beobachtende Einstellung, alle Patentfamilienmitglieder seien irgendwie „gleich“, ist aus unserer Sicht
sehr problematisch. So gern das Zusammenfügen von Patentfamilien in einem Datensatz in einer Datenbank auch gesehen wird, so birgt das auch
Gefahren. Diese Gefahren ergeben sich daraus, dass die Patentansprüche zweier Patentfamilienmitglieder nicht identisch sein müssen und es
oft genug auch nicht sind. Recherchiert man nach konkreten Sachverhalten und findet eine Familie nicht, weil z.B. das führende Familiendokument
in dieser Datenbank diesen konkreten Sachverhalt nicht aufweist, so könnte man hier mit der Recherche Schiffbruch erleiden.
In XPAT ist dagegen jedes Dokument einzeln hinterlegt in einem eigenen Datensatz. Stört es den Nutzer, dass er als Suchergebnis vielleicht mehrere
Dokumente einer Patentfamilie erhält, so kann er diese Familien in der Trefferliste per Knopfdruck auf ein Dokument seiner Wahl reduzieren.
Schaut er sich dieses Dokument dann an, so kann er sich doch wiederum jedes einzelne Familienmitglied anschauen. Das ist ein sehr guter Kompromiss
und solche Recherchefallen sind damit ausgeschlossen. Darüber hinaus gibt es auch interessante Visualisierungen von Patentfamilien.